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Kanzleimarketing und Business Development – nur etwas für "Law Firms"?

Business Meeting unter drei Rechtsanwälte
Rechtsanwalt und Marketingspezialist, zwei Professionen, ein Ziel: der Kanzleierfolg.

Seit etwa 20 Jahren gibt es in deutschen Kanzleien eine neue Spezies von Mitarbeitern: nämlich Spezialisten für Marketing, Kommunikation und Business Development. In den meisten der laut JUVE Handbuch 75 größten Kanzleien in Deutschland sind solche Spezialisten tätig, oft schon seit vielen Jahren. Dennoch wird die Frage, was Marketing und Business Development für Kanzleien bedeutet, noch immer diskutiert und viele Rechtsanwälte, selbst in den Kanzleien, in denen solche Spezialisten arbeiten, haben noch kein klares Bild davon, was diese Profession eigentlich zum Kanzleierfolg beitragen kann.

Dieser Beitrag soll helfen, Marketing und Business Development („MBD“) einerseits als Managementkonzept, und zugleich als Werkzeugkasten für die Vermarktung der eigenen Kanzlei zu verstehen. Ich möchte zudem Möglichkeiten aufzeigen, wie Kanzleien, die bisher keine eigenen Marketingspezialisten beschäftigt haben, diesen Bereich nachhaltig professionalisieren können.

Marketing und Business Development: Was ist was?

Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was Marketing und Business Development eigentlich sind.

Die klassische Definition von Marketing (Meffert, 1977) lautet: „Marketing bedeutet Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potenziellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden.“ Umgesetzt wird dies durch den sogenannten Marketing-Mix, der Produktgestaltung, Preispolitik, Vertriebspolitik und Kommunikation umfasst.
An dieser Stelle steigen Rechtsanwälte oft bereits aus, weil sie sagen, sie „vertreiben“ keine „Produkte“ und „Vertriebskanäle“ seien für Waschmittel, aber nicht für die anwaltliche Beratung geeignet. Doch natürlich müssen Anwälte ihre Beratung an einen Markt bringen, sie stehen in starkem Wettbewerb und müssen gegenüber immer anspruchsvoller werdenden Mandanten ihre Kanzleien und ihre Leistungen immer stärker differenzieren. Also trifft die Marketingdefinition sehr wohl auf sie zu.

Die Disziplin des Dienstleistungsmarketing in der Ausprägung Professional Services Marketing behandelt die Besonderheiten von Kanzleien und Beratungsunternehmen bereits seit einiger Zeit akademisch und praktisch. Rechtsanwälte können sich also nicht mehr vor dem Marketing verstecken, ganz unabhängig von der Kanzleigröße. Hier stelle sich der geneigte Leser bitte gerne ein Zwinkern des Autors vor.

Business Development („BD“) ist im Wortsinn zunächst nichts anderes als Geschäftsentwicklung, also die Gewinnung neuen Geschäfts von bestehenden Mandanten („Cross-Selling“) oder von neuen Mandanten. Dies wird zu Recht als Partneraufgabe verstanden. Doch in Kanzleien ab einer bestimmten Größe stellen Partner fest, dass Tätigkeiten, im Zusammenhang mit Marketing und Geschäftsentwicklung, so vielfältig werden können, dass es sich lohnen kann, Fachleute hierfür zu beschäftigen oder Dienstleister einzuschalten. Denn viele Aufgaben würden in anwaltlicher Ausführung hohe Opportunitätskosten zeitigen.

Es gilt mittlerweile im deutschen Kanzleimarkt als gängig, dass unter Marketing und Kommunikation Aktivitäten rund um den Internetauftritt, Broschüren, Publikationen, Newsletter, technische Ausstattung und logistische Leistungen für Messeauftritte verstanden wird; genauso die Organisation von Mandantenseminaren, allgemeines Marketingmaterial („alles, wo das Logo aufgedruckt ist“), aber auch im weiteren Sinne Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, heute oft einschließlich Social Media-Aktivitäten.

Business Development bzw. Geschäftsentwicklung umfasst regelmäßig die Unterstützung der Partner bei der Erstellung von Businessplänen für Praxis- oder Industriesektorgruppen, bei der Übersetzung der Pläne in konkrete Marketing- und BD-Aktivitäten, die Pflege von Mandatsreferenzlisten, Hilfe bei der Erstellung von Angebotsdokumenten und Mandantenpräsentationen sowie nicht zuletzt die Unterstützung der Partner bei der strategischen Steuerung von Mandantenbeziehungen („Client Relationship Management“).

Marketing und Business Development: Was ist Henne und was ist Ei?

Nun stellt sich im Hinblick auf Marketing und Business Development oft die Frage, was zuerst notwendig ist: das Marketing oder das Business Development? Die Frage mag einerseits müßig erscheinen, weil zweifellos das eine ohne das andere nicht existiert, aber im Zusammenhang mit der Frage, ob und wie eine Kanzlei diese internen Dienstleistungen als eigene Supportabteilung einrichten sollte und kann, spielt die Frage durchaus eine Rolle. Ich persönlich präferiere das Verständnis, dass Marketingaktivitäten als Output aus der systematischen Geschäftsentwicklungsplanung heraus abgeleitet werden sollten. Demzufolge kommt Business Development zuerst, dann Marketing.

Für Kanzleien, die noch keine Spezialisten in diesen Funktionen beschäftigen, stellt sich also die Frage, wo sinnvollerweise anzufangen ist und für welche Aufgaben welche Spezialisten an Bord geholt werden sollen. Gerade in kleineren und mittelgroßen Kanzleien ist es häufig eine einzige Person, die alle Aufgaben rund um Marketing, Pressearbeit und Business Development abdecken soll. Überflüssig zu sagen, dass in solchen Konstellationen eine einzelne MBD-Person schnell an der Bandbreite und der Masse der Aufgaben scheitern bzw. daran verzweifeln kann. Oder die Wahrnehmung dieser Person in der Partnerschaft beschränkt sich auf die Rolle des „Chief Party Planner“, also denjenigen, der vorrangig das Catering für Mandantenveranstaltungen bestellt und Namensschilder alphabetisch sortiert. Übrigens ein geflügeltes Wort aus der amerikanischen Kanzleimarketingszene und nicht als konkretes Beispiel zu verstehen.

Die Frage, was zuerst kommen sollte, Marketing oder Business Development, sollte also gerade in Kanzleien, die diesen Bereich erstmalig professionalisieren wollen, vor der Rekrutierung von MBD-Spezialisten geklärt werden. Eine Faustformel für das optimale Zahlenverhältnis zwischen Berufsträgern und MBD-Fachleuten gibt es nicht, doch im deutschen Kanzleimarkt beginnt dieses Verhältnis bei etwa 30:1 und reicht hinauf bis manchmal 100:1. Kanzleien investieren durchschnittlich etwa 1,5-5% ihres Umsatzes in MBD, einschließlich Personalkosten für die Fachleute und sämtliche direkten Aufwendungen für Marketing- und Geschäftsentwicklungsaktivitäten (z. B. Website, Broschüren, Veranstaltungen, etc.). Diese Zahlen werden in verschiedenen Studien immer wieder belegt. Eine Reflexion, was davon „viel“ und was „wenig“ ist, bleibt hier aber unberührt. Kanzleien jeder Größe tun allerdings gut daran, zu definieren, welche Aufgaben und Aufwendungen in den Bereich MBD gehören und welche nicht. Dies muss selbstverständlich nachhaltig in der Kanzlei kommuniziert werden, sonst landen ggf. mitunter befremdliche Aufträge beim Marketingspezialisten.

Zuerst der Plan, dann die Umsetzung –  selbstverständlich?

Business Development sollte bei der Formulierung und Umsetzung der Akquise- und Marketingstrategie unterstützen. Natürlich ist die Definition der Kanzleistrategie Management- und Partneraufgabe, doch Business Developer können hier wertvolle Beiträge leisten, z. B. in Form von Stärken-Schwächen-Analysen, Markt- und Wettbewerbsbeobachtung und Segmentierung von Mandanten und Märkten. Die Umsetzung von Geschäftsentwicklungs- und Marketingaktivitäten, z. B. in Form der Produktion von Marketingmaterial, der Umsetzung von Kommunikationskampagnen oder gezielten Mandatsgewinnungsinitiativen folgt sinnvollerweise erst nach der Planung unter der Prämisse, dass unter dem Strich Geschäft gewonnen werden soll – und kann gerade im Hinblick auf Marketingaktivitäten möglicherweise leichter an externe Dienstleister vergeben werden als die strategische Planung. Kanzleien, die Marketing und BD professionalisieren möchten, sind also gut beraten, die beiden Aufgabenfelder insofern getrennt zu betrachten, als auch die Anforderungsprofile für Jobkandidaten unterschiedlich sind. Die „eierlegende Wollmilchsau“, die gleichermaßen journalistisch talentiert ist und auf dem PR-Parkett sicher wandelt, in der wirtschaftlichen Analyse von Mandanten und Märkten strategisch brilliert, grafikdesignbegabt und mit allen Wassern der klassischen Marketingkommunikation gewaschen ist, gibt es, vorsichtig ausgedrückt, eher selten.

Die Quintessenz ist: Zuerst muss die Strategie festgelegt werden, z. B. die Definition, welches Markenimage aufgebaut, welches Dienstleistungsportfolio angeboten, welche Mandantensegmente erschlossen, welche Marktanteile ausgebaut werden sollen. Dies klingt selbstverständlich, ist es jedoch bei weitem auch heute, 20 Jahre nach dem Beginn der Professionalisierung von Kanzleimarketing und –BD, noch nicht. Das äußert sich z. B. in der geradezu klassischen Situation, wenn ein Partner von einem MBD-Spezialisten fordert: „Wir brauchen eine Broschüre“ oder „Organisieren Sie uns ein Event“. Der Marketingspezialist wird fragen: „Was bzw. wen wollen Sie erreichen – bestehende Mandanten oder neue?“ oder „Was ist unser Verkaufsargument, das uns vom Wettbewerb unterscheidet?“. Mancher Anwalt wird verständnislos reagieren und alle Zielsetzungen undifferenziert auf einmal erreichen wollen – und enttäuscht sein, wenn eines oder mehrere Ziele bei dieser Herangehensweise auf der Strecke bleiben. Hierfür gibt es eine kulturelle Erklärung. Die meisten Anwälte tun sich noch schwer mit dem Verständnis, wo „das Produkt“, also die Gestaltung der anwaltlichen Dienstleistung, die es an den Markt zu bringen gilt (Anwaltsaufgabe) aufhört und die „Produktvermarktung“ (Marketingaufgabe) anfängt. Sinnvoll ist also die frühe Einbeziehung der MBD-Spezialisten in die Fragestellung, welches Beratungsprodukt für welche Mandantengruppe interessant sein könnte – um nach dieser Definition den Marketing-Output für die Zielgruppe und den gewählten Markt auszuwählen. Dabei kann z. B. herauskommen, dass keine Broschüre gefertigt wird, sondern eine gezielte Direktansprache potentieller Mandanten mit einer maßgeschneiderten, „knackigen“ Präsentationsunterlage erfolgt.

Rechtsanwälte und Marketingspezialisten – noch keine „marriage made in heaven“

Ursächlich für viele Missverständnisse zwischen Anwälten und MBD-Spezialisten ist ein fehlendes Verständnis für die jeweils andere Seite. Anwälte studieren selten BWL, wo klassische Vertriebsstrategien zum Curriculum gehören. Sie wissen also häufig nicht, welche Fachkenntnisse zum Beispiel ein Marketing- oder Kommunikationsexperte hat. Marketingleute studieren oft keine Rechtswissenschaften, sind also häufig nicht mit der Denkweise von Juristen und der besonderen Binnenkultur von Kanzleien bzw. Partnerschaftsgesellschaften vertraut. Ein abstrahiertes und bewusst auf die Spitze getriebenes Beispiel: Es mag einem MBD-Spezialisten passieren, dass nach intensiver Arbeit an einem umfangreichen Angebotsdokument („Pitch“) der federführende Anwalt im Feedback als erstes auf Tipp- oder Formatierungsfehler eingeht, statt zu würdigen, dass der MBD-Spezialist möglicherweise viel „Hirnschmalz“ in die Strukturierung und kreative Umsetzung des Angebotes investiert hat. Natürlich ist der hohe Qualitätsanspruch an die Arbeitsergebnisse von MBD sehr gerechtfertigt, aber der Marketingmensch wird vielleicht verschnupft sein und sein strategisches und kreatives Talent als missachtet empfinden. Juristen sind aber nun einmal grundsätzlich darauf geschult, in sehr kurzer Zeit in einem dicken Vertragswerk den „tödlichen“ Fehler zu finden, der den Mandanten potentiell sehr viel Geld kostet. Daher rührt bisweilen die Fokussierung auf Formalitäten, die MBD-Menschen manchmal als kleinlich empfinden. Hier besteht ein kultureller Graben, der von beiden Seiten erkannt werden muss.

Voneinander lernen, voneinander profitieren

Um eine nachhaltige und für beide Seiten zufriedenstellende Zusammenarbeit zu erreichen, sind beide Seiten gefordert. MBD-Spezialisten sollten die Bandbreite ihrer Dienstleistungen transparent und verständlich machen. Man muss nicht Jura studiert haben, um anwaltliche Produkte zu verstehen, aber ein gewisses juristisches Grundverständnis hilft sehr. In manchen Kanzleien nehmen MBD-Kollegen an juristischen Fortbildungen für Referendare und jüngere Anwälte teil, um Grundzüge der Kanzleiprodukte besser zu verstehen. Das hilft wiederum, das Vertrauen der Partner zu gewinnen.

Anwälte, insbesondere Partner, sollten ihrerseits aufgeschlossen auf MBD-Spezialisten zugehen und ihnen Chancen geben, das Anwaltsgeschäft besser zu verstehen. Gleichzeitig sollte die spezifische Denk- und Arbeitsweise von MBD-Spezialisten als geschäftsfördernde Perspektive gesehen werden, die den Erfolg einer Kanzlei beeinflussen kann. Hierbei geht es nicht nur darum, dass ausgebildete Marketingfachleute und Business Developer Werkzeuge mitbringen, um einen Markt professionell bearbeiten zu können.  Darüber hinaus kann gerade der in Märkten, Vertriebswegen und Kundenprofilen denkende Nichtjurist ein sehr hilfreicher Spiegel bei der Reflexion der eigenen Überlegungen des Partners zur Geschäftsentwicklung sein. „Nach unserer Überzeugung gibt es kein größeres und wirksameres Mittel zu wechselseitiger Bildung als das Zusammenarbeiten.” (J. W. von Goethe)

David Scholz
MBA, Dipl.-Wirtschaftsjurist (FH)
Senior Business Development Manager, Freshfields Bruckhaus Deringer LLP

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