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Die Zukunft der Rechtsberatung in Zeiten von ChatGPT & Co.

Hat die klassische Rechtsberatung ausgedient? Noch nicht. Anders wird es aussehen, sobald Künstliche Intelligenz Standardfälle übernimmt. Wie Anwält:innen trotzdem zukunftsfähig bleiben? Mit Weitsicht, neuen Services und guten Ideen.

Werden Rechtsberater:innen bald ersetzt durch digitale Tools und Technologien wie selbstlernende Künstliche Intelligenz oder smarte Portallösungen? Der Gedanke ist alles andere als abwegig. Schon weniger spektakuläre Innovationen haben in jüngerer Vergangenheit ganze Branchen erschüttert, nachhaltig auf den Kopf gestellt oder ihnen gar ein Ende bereitet, wie zum Beispiel die Streamingdienste der Videoverleihindustrie oder Amazon den Kaufhäusern. Dass Künstliche Intelligenz sogar noch mehr Disruptionspotenzial in sich birgt als diese Geschäftsmodelle, darüber sind sich Expert:innen einig. Das gilt auch für die Rechtsberatung.

Sind KI-Chatbots bald die besseren Rechtsberater?

Heute schon ist es technisch möglich, KI-basierte Systeme mit Normen und dem kompletten Wissen aus Entscheidungsdatenbanken, Kommentaren und Lehrbüchern zu füttern. Mit entsprechenden smarten Algorithmen unterstützt, ließen sie sich dann als hochqualifizierte, selbstlernende juristische Experten nutzen, die auf Knopfdruck eine Lösung liefern– blitzschnell, und im Gegensatz zu den menschlichen Kolleg:innen rund um die Uhr. Zu 100% verlässlich sind derzeit die Antworten dieser KI-basierten Systeme noch nicht. Allerdings werden sie immer besser und sicherer.

Bereits im Jahr 2022 war ChatGPT, derzeit der wohl bekannteste KI-Chatbot weltweit, in der Lage, das US-amerikanische Bar Exam abzulegen – jene Prüfung, die in den USA Voraussetzung für die Zulassung als Anwalt ist. Es ist nicht die Frage, ob, sondern wann der Chatbot auch die deutschen Staatsexamina besteht – höchstwahrscheinlich mit Prädikat. Spätestens dann wird es Standard, dass ChatGPT oder vergleichbare Tools zur Erstberatung von Mandant:innen eingesetzt werden.

Die Ungewissheit, ob eine IT-Lösung nach den Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes überhaupt zulässig ist, ist aktuell noch offen. Mit dem AI Act wurde in diesem Bereich ein erster Standard gesetzt. Und durch das Legal-Tech-Gesetz wurden durch den Gesetzgeber die strengen berufsrechtlichen Vorschriften für Rechtsberater gelockert. Wie es weiter geht, bleibt spannend.

Online-Portale: tausende Standardfälle – blitzschnell abgearbeitet

Eine weitere LegalTech-Errungenschaft mit direktem Einfluss auf die Rechtsberatung sind smarte Online-Portale, an die sich Verbraucher:innen zur Prüfung und Durchsetzung ihrer Ansprüche wenden können, so etwa in Bezug auf Fluggastrechte oder in OWi-Verfahren. Hinter solchen Services stecken meist digital affine Anwaltskolleg:innen, die in innovative Workflows und intelligente Algorithmen investiert haben und nun tausende Standardfälle schnell, effizient und damit kostensparend abarbeiten können.

Intelligente Vertragsgeneratoren

Auch die Rechtsberatung von Unternehmen verändert sich durch clevere LegalTech-Lösungen. Heute existiert bereits eine Reihe von KI-Tools, die Dokumente aus Vorlagen und strukturierten Datensätzen aufsetzen, Vertragsfristen überwachen und Chancen wie Risiken in Verträgen identifizieren. Immer mächtigere Werkzeuge werden entwickelt, die nicht nur für Jurist:innen ein echter Gewinn sind, sondern auch für die Unternehmen selbst, die damit in Eigenregie Verträge und Dokumente erstellen und fortan in so manchem Fall auf die Hinzuziehung qualifizierter juristischer Beratung verzichten werden.

Zukunftskompetenzen für Anwält:innen

Das sind nur drei Beispiele von vielen, und sicherlich bilden sie nur die Vorhut einer ganzen Reihe an wesentlich ausgereifteren, noch smarteren LegalTech-Lösungen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, heißt es für Anwält:innen, sich auf diejenigen Kompetenzen in der Rechtsberatung zu besinnen, die auch in Zukunft von Mandant:innen nachgefragt werden.

Anwält:innen als persönliche Krisen- und Problemmanager

Zuallererst sind dies Skills, die Technologie wohl nie ersetzen wird: die dem Menschen immanenten persönlichkeitsbedingten Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, individuelles taktisches und strategisches Denken oder das intuitive Wissen, das auf eigenen Erfahrungswerten beruht. Die persönliche, individuelle Beratung und vor allem Begleitung der Mandant:innen durch schwierige Situationen und Krisen wird somit zur elementarsten Zukunftskompetenz von Rechtsberater:innen.

Spezialwissen

Hinzu kommt ein weiterer Faktor, mit dem man sich langfristig ein Stück des Kuchens sichern kann: die Spezialisierung auf Mandate, die komplexes und vernetztes Expertenwissen voraussetzen, das Künstliche Intelligenz (noch) nicht abbilden kann. Das können besonders knifflige Fälle jenseits des Standards sein, aber auch Mandate, die zum Beispiel besonders viel Verhandlungsgeschick erfordern oder die Entwicklung ausgefeilter Taktiken.

Digitale Kreativität

Eine weitere Kompetenz der Zukunft ist digitale Kreativität. Anwält:innen brauchen sie, um die Chancen, die neue technologische Entwicklungen für den Mandantenstamm und das jeweilige Rechtsgebiet bieten, zu erkennen und zu nutzen, um sich neue Beratungsfelder oder gar innovative Geschäftsmodelle zu erschließen.

KI und andere digitale Lösungen sind letztendlich nicht ein Ersatz für Menschen, sondern ein Hilfsmittel für diese. Profitieren werden vor allem diejenigen, die sie versiert anwenden können. Das kann auch bedeuten, über kurz oder lang Mitarbeitende in die Kanzlei zu holen, die entsprechende Kompetenzen aufweisen, wie zum Beispiel technologie-affine Junganwälte. Auch LegalTech-Designer können nützlich sein, um das in der Kanzlei vorhandene juristische Spezialwissen in effiziente digitale Lösungen zu transformieren.

Gut aufgestellt für die Zukunft: Impulse für die digitale Transformation

Die Weichen für die Zukunft der Rechtsberatung werden jetzt schon gestellt. Die falsche Strategie wäre es, erst einmal abzuwarten, um dann irgendwann auf den Zug der digitalen Transformation aufzuspringen. Wer heute stehenbleibt, wird morgen abgehängt oder gar überrollt. Werden Sie deshalb jetzt schon aktiv.

Impuls 1: Jetzt vorsorgen

Vernetzte digitale Workflows und Datenflüsse bilden das Fundament für die innovativen Tools von morgen. Online-Services und digitale Kommunikation werden immer mehr zum Hygienefaktor, der von Mandant:innen schlichtweg vorausgesetzt wird. Wer also noch mit Papierakten hantiert, Daten händisch in Formulare eingibt oder Dokumente erst einscannt, um sie dann auszudrucken und per Post zu senden, sollte schleunigst digital aufrüsten mithilfe einer Kanzleisoftware, die über offene Schnittstellen den Datenaustausch mit anderen Anwendungen wie zum Beispiel einem Mandantenportal möglich macht.

Impuls 2: Digitales Mindset implementieren

Arbeiten Sie heute schon gemeinsam mit Ihrem Team an einer Kanzleikultur, die offen für neue digitale Lösungen ist. Ein erster Schritt kann zum Beispiel ein kanzleiinterner Workshop sein, der im Team das Bewusstsein schafft, dass Technologie nicht etwa der Feind oder gar Gegner ist, sondern ein hilfreicher Werkzeugkasten, aus dem man sich die passenden Tools für die eigene Arbeit heraussuchen kann. Ist dieses Mindset erst einmal verankert, stellen sich Offenheit für die digitale Transformation und digitale Kreativität fast von selbst ein.

Impuls 3: Probieren, testen, experimentieren

Starten Sie in Ihrer Kanzlei erste Gehversuche mit ChatGPT – auch mit der Teilnahme an entsprechenden How-to-Webinaren – und optimieren Sie konsequent und Schritt für Schritt die Arbeit damit. Das ist gut investierte Zeit, selbst wenn die Ergebnisse (noch) mit Vorsicht zu genießen sind. Über kurz oder lang werden Sie es mit spezialisierteren, ausgereifteren Tools zu tun haben, die Sie mit entsprechenden Vorkenntnissen effizienter nutzen können.

Impuls 4: Vom Berater zum Beratenen werden

Holen Sie sich Expert:innen an Bord, die Sie – ausgehend von Ihrem aktuellen Digitalisierungsgrad und vor allem -bedarf – auf Ihrem Weg in die digitale Transformation begleiten und vor Fehlinvestitionen bewahren. Die LegalTech-Landschaft ist riesig. Nicht jede innovative Lösung ist für jede Kanzlei geeignet. Auch lauern diverse Fallstricke auf dem Weg, die Sie kennen sollten. Da ist guter Rat von unabhängigen Digitalisierungsberater:innen Gold wert. 

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